Ziele kreativ realisieren
Hat der Klient seine Ziele nach den Wohlgeformtheitskriterien formuliert, beginnt der stetige Prozess der Realisierung. Wie können Ziele so im Denken des Klienten verankert werden, dass sie während der Alltagsarbeit präsent bleiben?
Das laute Vorlesen von Zielen kann in der Formulierungsphase für den Klienten sehr unterstützend sein: Der Klient bestimmt für sich, wie oft er sich seine Ziele vorliest und diese laut ausspricht – z. B. immer morgens vor dem Frühstück, immer Sonntagabend vor dem Beginn der neuen Arbeitswoche oder immer am letzten Tag des Monats. Hier hilft das Ausprobieren und vor allem das, was „stimmig“ ist.
Für viele Klienten ist es neu, die eigene Stimme in der Ziel-Arbeit zu hören und damit zu arbeiten. Werden Ziele eher geflüstert oder brechen sie als Wortschwall hervor? Im lauten Vorlesen wird auch deutlich, ob das aufgeschriebene Ziel flüssig formuliert ist und eben „stimmig“ gleich passend zur Stimme ist. Zudem bringt der Klient das Ziel damit „in die Welt“. Es kreist nicht nur in seinem Kopf, sondern ist als gesprochene Sprache jetzt Teil seiner gesamten Körperwahrnehmung.
Klienten haben für sich selbst schon „Ziel-Songs“ komponiert, einzelnen Jahreszielen jeweils eine Strophe gewidmet und dann natürlich laut gesungen. Auch haben Klienten in Coachingsitzungen – ausgehend von ihren langfristigen Zielen – schon Reden für ihren 65. Geburtstag vorbereitet, sind in die Rolle von Laudatoren beim 25jährigen Firmenjubiläum gegangen oder haben ihren Nachruf formuliert und bei der imaginären Beerdigung vorgetragen
Neben der Sprache ist die Visualisierung von Zielen eine Möglichkeit mit grossem Potenzial: Der Klient macht sich ein Bild seiner Ziele und wählt die Technik, mit der er am besten für die Realisation zurechtkommt. Guten Zugang bieten Collagen zu einzelnen Zielbereichen oder sogar zu allen Bereichen zusammen. Eine Klientin, die in den nächsten Jahren mit ihrem Lebenspartner in die USA auswandern wollte, kreierte in einem Bild ihre Pferderanch, malte sich selbst und die komplette Familie ins Gemälde.
Meist nutzen die Klienten spielerisch die dritte Dimension und bauen kleine Modelle mit Häusern und Figuren in ihre Collage. Andere Klienten haben Vorerfahrungen im künstlerischen Arbeiten und können Maltechniken wie Aquarell oder Farbstift nutzen. Wieder andere arbeiten mit Mind-Maps – frei von Hand oder mit PC-Unterstützung. Die Ergebnisse sind oft erstaunlich. Ein Ehepaar, verbunden über ein gemeinsames Unternehmen, malte an einem Abend ein riesiges Zielbild, indem sie ein ganzes Zimmer ihres Hauses mit Papier auslegten und – fast im Stil des „Action-Painting“ – mit großen Pinseln und Farbtöpfen ihre Ziele gemeinsam visualisierten. Klienten haben zudem Gedichte geschrieben oder Kurzgeschichten verfasst, die die eigenen Ziele zum Inhalt hatten. Auch ist im Coaching ein „Lebensroman“ entstanden: Der Klient hatte sein Leben während einer Klärungsphase in einer längeren Geschichte aufgearbeitet, dann seine Ziele formuliert und die Ergebnisse in einem fiktiven Kapitel gleich verarbeitet
Eine weitere Möglichkeit ist die Verpflichtung gegenüber Anderen in Zielen : Klienten werden gebeten, in vielen unterschiedlichen Situationen über ihre Ziele zu sprechen und anderen von ihren Plänen zu erzählen. Dies passiert nicht in Form von „ich mache jetzt in meinem Coaching Ziel-Arbeit und ….“, sondern es wird mit den Klienten vereinbart, direkt über das Ziel mit den Personen zu sprechen, die darin eine Rolle spielen. Z. B. spricht der Klient mit seinem Partner über Reisepläne, mit seinen Mitarbeitern über Ziele in der Kundengewinnung und mit Freunden über seine Hobbys.
Dieses wiederholte Sprechen über die eigenen Ziele festigt das Bewusstsein über die Nachhaltigkeit und führt zum – wünschenswerten – Nachfragen bei Anderen „Und, wie weit bist du schon?“ Im Team- und Gruppen-Coaching besteht zudem die Möglichkeit, kleine Präsentationen zu den eigenen Zielen zu organisieren, am Ende eines Coaching-Prozesses auch vor selbst gewähltem Publikum. Hier geht der Klient mit seinem gesamten Ausdruck – Stimme, Mimik und Gestik, Körpersprache – in die Ziel-Arbeit. Eine besondere Möglichkeit, sich selbst und gegenüber anderen zu verpflichten, die eigenen Ziele in die Welt zu bringen und sich Feedback bei anderen zu holen.
Gerade in Gruppen-Coachings haben sich Wochenberichte bewährt, die der Klient zu einem bestimmten Zeitpunkt, z. B. Sonntagabend, an seinen Coach schickt und die die Basis für das folgende Telefon- oder Live-Coaching bilden können. Hier werden Selbstanerkennung, Tageseinschätzungen, Ergebnisse und Lernerkenntnisse sowie Vorhaben für die nächste Woche abgefragt, der Klient reflektiert in seiner Sprache die eigenen Zwischenergebnisse und formuliert, wo er gerade steht.
Klienten haben gute Erfahrungen mit Tagebuchaufzeichnungen während der Ziel-Arbeit gemacht. Im Coaching-Prozess reflektierten sie täglich oder mehrmals wöchentlich ihre Fortschritte und waren oft verblüfft, wie schnell sie sich die Instrumente der Zielformulierung angeeignet hatten.
Eine weitere interessante Möglichkeit, einen Klienten bei der Realisierung seiner Zielen zu unterstützen ist der „Gang durch die Ziele“: Der Klient notiert Einwände gegen seine Ziele, platziert Personen (oder Platzhalten z. B. Stühle) als Stellvertreter für diese Einwände und geht dann hindurch. Eine andere Alternative ist die „Wunderfrage“– der Klient geht in die Vorstellung, dass sein Ziel erreicht ist, der Coach führt ihn Schritt für Schritt an das Ziel heran.
Die Ziel-Arbeit kann außerdem durch motivierende Glaubenssätze unterstützt werden. Klienten nutzen oft ihre Zielbücher, um positive Sätze den eigentlichen Zielen voranzustellen und sie damit noch kraftvoller zu machen. Diese Glaubenssätze können außerdem in andere Medien übertragen werden – z. B. als Handybegrüßungstext oder als PC-Willkommenszeile – um die zugehörigen Ziele damit positiv und dauerhaft zu verankern.
Auch ist es wertvoll, eine Beziehungslandkarte zu erstellen. In dieser Landkarte werden alle Beziehungen, wie Partner, Familie, Freunde, Bekannte, Geschäftspartner und lose Kontakte eingetragen, damit sich der Klient ein Bild davon machen kann, welche Unterstützer er in seiner Ziel-Arbeit haben kann. Besonders dann, wenn es Krisen bei der Umsetzung gibt, ist diese Form der konkreten Darstellung von Unterstützern sehr wertvoll und eine Fundgrube für Handlungsalternativen.